Christsein im Dreiländereck
Impulsreferat
Katholikentag Regensburg
Podium: Christsein im polnisch-tschechsich-deutschen Dreiländereck - Vielfalt und Chancen
Donnerstag, den 29. Mai 2014, 16.30 - 18.00 Uhr, Albrecht-Altdorfer-Gymnasium, Minoritenweg 33, Regensburg
Verehrte Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren,
zunächst möchte ich mich für die Einladung zur Mitgestaltung dieses Podiums im Rahmen des Katholikentages herzlich bedanken.
Gleich die erste Idee, die mir zum Thema „Christsein im polnisch-tschechisch-deutschen Dreiländereck einfiel, war die vom aus Nordböhmen, aus Reichenberg, stammenden und vor kurzem gestorbenen deutschen Schriftsteller Otfried Preußler verfasste Weihnachtsgeschichte über die Flucht der heiligen Familie nach Ägypten. Das Buch habe ich ebenfalls mitgebracht. Es handelt sich um den „königlich böhmischen Teil der Flucht der heiligen Familie, als damals, in jenen heiligen Zeiten, der Weg von Bethlehem nach Ägypten durch das Königreich Böhmen führte. Die heiligen Wandersleute überschritten die Grenze bei der zurzeit nicht mehr existierenden Ortschaft Hielgersdorf, in der Nähe von Lobendau, im Schluckenauer Zipfel. Sie kamen also aus Sachsen, aus Deutschland. Nachdem sie die durch das Königreich Böhmen, vorwiegend durch das heutige Bistum Leitmeritz und teilweise durch das Königsgrätzer Bistum, führende Strecke zurückgelegt hatten, verließen sie Böhmen im Städtchen Schatzlar, und setzten über Schlesien, über Polen, nach Ägypten fort.
Als der Erzengel Gabriel dem heiligen Josef mitteilte, er soll mit dem lieben Jesulein und der Muttergottes die Flucht nach Ägypten antreten, wie es geschrieben steht, machte sich
der heilige Josef selbstverständlich Sogen über Reisepässe, in denen das liebe Jesulein ja noch gar nicht eingetragen war... Weder Reisepässe noch weitere zu der Zeit des kommunistischen Regimes erforderliche Erlaubnisse und Dokumente werden mehr gebraucht, um nach Deutschland, Polen oder Tschechien zu reisen, es gibt keine Grenzkontrollen mehr. Die Personenfreizügigkeit ist eine Wirklichkeit, die vor 25 Jahren noch völlig unvorstellbar war. Es ist zugleich keine Selbstverständlichkeit. Darauf sollte die ältere Generation die jüngere aufmerksam machen, dass es um keine Selbstverständlichkeit sondern eher um eine Gabe, ja, vielleicht sogar um ein Wunder, geht, und daher sollte die Reisefreiheit und die Freiheit im Allgemeinen geschätzt werden.
Gleichzeitig fragte sich der heilige Josef, wie man sich mit den Leuten verständigen soll, wenn doch weder die Muttergottes noch er eine Silbe Deutsch, Tschechisch, Polnisch, nicht zu sprechen über „Ägyptisch, kennen. In Preußler's Geschichte zeigte sich, dass sowohl der heilige Josef als auch die Muttergottes alles ohne weiteres verstanden und die Menschen, denen sie begegneten, ihnen ebenfalls alles verstanden. Mit uns ist es ja nicht so einfach. Ich bin überzeugt, dass die Sprachkenntnisse eine entscheidende Rolle in allen grenzüberschreitenden Verbindungen spielen, und die Sprachbarriere ihre Entfaltung sehr hindert, in vielen Fällen sogar verhindert. Und es ist ja Schade. Gerade im Dreiländereck scheint es, höchst bedeutsam zu sein, Mut zu haben und uns einander zu ermutigen, Sprachen zu lernen. Und es ist völlig egal, ob es die deutsche, tschechische, polnische, englische, französische oder welche auch andere Sprache letzten Endes ist, auf die wir uns untereinander verständigen.
Die heilige Familie ging durch viele nordböhmischen Städtchen und Dörfer, durch die malerische zu der damaligen Jahreszeit schneebedeckte Gegend, sowohl bei wunderbarem Sonnenschein, als auch ja bei unangenehmem dichtem Schneefall durch, begegnete verschiedenen Menschen mit unterschiedlichsten Lebensschicksalen. Dieses sollte uns dazu bewegen, unseren Alltag, unser Zuhause, öfter zu verlassen, andere Orte zu besuchen, uns auf den Weg ins mehr oder weniger entfernte Ausland zu machen, was sich im polnisch-deutsch-tschechischen Dreiländereck wortwörtlich bietet. Und warum denn? Damit wir Inspiration an den anderen Orten, bei den anderen Menschen schöpfen, damit wir uns sagen könnten, das wäre gut bei uns einzuführen, und diese Ideen auch in die Tat umzusetzen, damit wir uns jedoch auch sagen könnten, es ist ja gut, aber wir machen es einfach anders, und damit wir uns fragen könnten, warum es dort anders ist, und darüber nachdenken und zugleich unser Zuhause achten. So bereichern wir unseren Alltag und unser Zuhause. Und das ist für solche einfache Beispiele anzuwenden, wie zum Beispiel einen Sonntagsgottesdienst in einer anderen Pfarrgemeinde zu erleben, auf einen Wallfahrtsort zu pilgern oder einfach irgendwo anders hin zu fahren oder zu gehen, ein Stück Kuchen eine Tasse Kaffee zu kosten, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Gegebenenfalls ist dabei allerdings wieder auf die Sprache zu stoßen.
Die einzelnen Erzählungen im Buch „Die Flucht nach Ägypten sind durch Kleinigkeiten, durch scheinbar unwichtige Einzelheiten durchwoben, die allerdings in Wirklichkeit von hoher Bedeutung sind. Angefangen mit der von einem Kutscher der heiligen Familie angebotenen Mitfahrgelegenheit, über eine von der Muttergottes geputzte Brille, bis hin zu einem Grüß-Gott-Sagen. Es sind die Kleinigkeiten zu beachten, zu sehen, von denen sowohl unser Alltag, als auch, sagen wir, ungewöhnliche Augenblicke doch voll gesteckt sind. Und über diese Kleinigkeiten ist es immer zu freuen. Und solche Freude, die die Seele von trüben Gedanken bereinigt, geht mit Liebe zu unseren Nächsten Hand in Hand. Und es war die Liebe, die wie ein roter Faden ebenfalls durch die Flucht der heiligen Familie nach Ägypten, aus Deutschland über Tschechien nach Polen, hindurchzog.
Wir sollten uns bemühen, diese vorbildliche Liebe, die weder geographische noch menschliche Grenzen kennt, die verständlich, weil ganz konkret, ist, und die unauffällig und zugleich groß ist, mit Gottes Segen und nach unserem besten Können jeden Tag nachzuahmen und so Christen zu sein, dort, wo wir leben, an den Orten, durch die einst, in jenen heiligen Zeiten, der Weg von Bethlehem nach Ägypten führte.
Jana Hovorková, Bistum Leitmeritz